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Das kleine Heimatmuseum im Golddorf

Bildurheber: Stadt Hörstel

Im Jahr 1964 schenkte Dr. Anton Hilckman (1900 bis 1970), Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Mainz, sein Geburtshaus der Stadt Bevergern. Nach dem Willen des Stifters sollte es der Pflege des Heimatgedankens und der geschichtlichen Erinnerung dienen.
Diesem Anliegen hat sich seit 1966 der Heimatverein Bevergern zugewendet und in langjähriger Arbeit ein Museum eingerichtet, das sich ausschließlich der örtlichen Geschichte, Kultur und Arbeitswelt widmet.

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Es handelt sich um eine malerische Gruppe von drei eng aneinander gefügten Fachwerkhäusern des 18. Jahrhunderts, die ihren ursprünglichen Standort zwischen Kirchplatz und Umwallung der Kleinstadt Bevergern bewahrt haben. Noch heute vermitteln sie eine gute Vorstellung von der Wohn- und Arbeitsweise der drei wichtigsten Berufsgruppen, die einst das Leben in der Enge einer solchen befestigten Siedlung ohne bäuerliches Umland prägten.


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Das Kaufmannshaus
Vom malerischen Kirchplatz her betritt man das Hilckman’sche Wohnhaus, das am Kamin die Jahreszahl seiner Erbauung 1742 trägt. Ursprünglich besaß es an der Giebelseite ein Deelentor, das auf eine kleine Tenne mit Viehställen führte. Dieser Hausteil wurde im 19. Jahrhundert zu zwei Wohnräumen umgebaut. Der Rundgang führt zunächst in das Biedermeierzimmer aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Als „gute Stube“ besitzt es für die damaligen Zeiten typische, hell furnierte Möbel und eine zartfarbig bezogene Sitzgruppe.

Der folgende Raum, das Jugendzimmer, dient als Wohnstube. Die holzvertäfelten Wände, das rotplüscherne Sofa und der eiserne Kanonenofen in einer Rundnische zeigen den Wandel im Geschmack des Kleinbürgertums um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Zwei feine Jugendstilschränke leiten zur Wohnkultur des 20. Jahrhunderts über.

Die Küche war immer das eigentliche Herzstück des Hauses. Sie zeigt sich noch weitgehend in der Form ihrer Erbauung im Jahre 1742. Raumbeherrschend ist das Herdfeuer mit seiner Sandsteinfassung und dem großen Rauchfang, dem „Bosen“. Der fromme Sinn der Bewohner spricht aus dem ovalen Stuckmedaillon mit dem farbig gefassten Reliefbild der Muttergottes und dem Jesuskind. Als Vorlage dürfte ein italienischer Kupferstich der Barockzeit gedient haben. Ungewöhnlich ist die nach alten Befunden erneuerte Wandbemalung in Form grauer Mamorplatten. Die Bemalung steht in einem reizvollen Kontrast zum Fußboden aus derben Bevergerner Sandsteinplatten. Eine gewendelte Treppe, ein Meisterstück kleinstädtischer Schreinerkunst, führt auf den Dachboden mit zwei Ausstellungsräumen, die an örtliches Brauchtum erinnern. Noch heute feiert man in Bevergern den Karneval, „Fastaumt“ genannt, nach alter Tradition, wie sie ein Schriftstück von 1780 beschreibt. Dokumente, Fotos und Zeichnungen in humoristischer Form machen auf die Besonderheiten der Bevergerner Fastnacht aufmerksam. – Die uralte Tradition des Schützenwesens, das noch heute von großer Bedeutung für das gesellschaftliche Leben der Bevergerner ist, wird eindrucksvoll durch drei silberne Königsketten der Schützengesellschaften belegt. Ungewöhnlich prächtig ist die Kette der Jakobi-Schützen, die mit schweren, reich verzierten Schildern behängt ist, deren ältestes 1765 datiert ist. Die Ketten der Junggesellenschützen von 1835 und der Bürgerschützen von 1597 sind von schlichter Art. Fahnen, Uniformstücke, Böller und Armbrüste zeugen von der bunten und lauten Pracht der Schützenfeste.

In die Küche zurückgekehrt, steigt man über ein Treppchen in den urtümlich tonnengewölbten Keller mit Geräten zur Milch- und Butterverarbeitung und zur häuslichen Bevorratung. Über diesem Keller liegt die Upkammer, die ursprünglich einzige Wohnstube des Hauses. Von bürgerlicher Bildung und Wohlhabenheit kündet die bemerkenswerte Stuckdecke von etwa 1742. In rankenumspielten Rahmenfeldern zeigt sie ein Bildprogramm, wie es für die späte Barockzeit typisch war. Fünf luftig bekleidete Mädchengestalten stehen für die „fünf Sinne“ des Menschen. Man sieht (im Uhrzeigersinn) eine Frau mit Laute und Glockenblume als Sinnbild für das Hören, eine zweite mit Weinglas und Traube für das Schmecken, eine weitere mit Rose für das Riechen und eine vierte mit Spiegel und Sonnenblume für das Sehen. Im Mittelfeld beißt ein Hündchen dem Blumenmädchen in das Bein: Gemeint ist auf drastisch westfälische Art das Fühlen.
Einige Stufen führen abwärts in das kleine

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Das Handwerkerhaus
mit der Jahreszahl 1729 im Balken seines Deelentores. Es hat seine ursprüngliche Gestalt nahezu unverändert bewahrt und macht auf eindringliche Weise die Beengtheit, die Nähe von Mensch und Tier und die räumliche Einheit von Wohnen und Arbeiten handwerklicher Tagelöhner deutlich.

Links betritt man eine Sode, die zu der niedrigen Winterküche mit ihrem Eisenherd, der „Kochmaschine“, führt.
Gleich nebenan steigt man über eine steile Treppe in das kleine Studierzimmer Anton Hilckmans mit persönlichen Erinnerungsstücken an den Stifter. Man findet Dokumente aus seiner Häftlingszeit im Konzentrationslager Buchenwald und als erschütterndes Zeugnis dieser schweren Jahre seine Sträflingsjacke und –mütze.

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Das Ackerbürgerhaus
Besitzt heute nur noch seine Außenhaut. Tenne, Ställe und Küche wurden entfernt, um einen geräumigen Saal für Veranstaltungen unterschiedlichster Art zu gewinnen.

Von der Einrichtung hervorzuheben sind sieben kostbare, goldbestickte Hauben und Kappen des 18. Und 19. Jahrhunderts, wie sie von Bevergerner Frauen bei festlichen Ereignissen getragen wurden. Ein hölzerner Salzkasten, große Kufentruhen und ein eisenbeschlagener Koffer sind typische, bäuerliche Möbelstücke des 18. Jahrhunderts. Eine Treppe führt zum Dachboden mit einem Ausstellungsraum zur Geschichte Bevergerns von der Vorzeit bis ins 19. Jahrhundert. Sie ist in 12 gut beschrifteten Kapiteln übersichtlich dargestellt.

Bodenfunde, Urkunden, Zeichnungen, Fotos und Modelle machen die Texte anschaulich. Im Mittelpunkt steht ein detailliertes Modell der ehemaligen Burg Bevergern. Sie wurde vermutlich gegen 1100 errichtet und fiel im Jahre 1400 nach einer blutigen Fehde an den Bischof von Münster. Er baute sie zu einem starken Stützpunkt aus. Im Jahre 1680 gab Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg den Befehl zur Sprengung. Das Ölgemälde eines unbekannten Malers zeigt sein Bildnis. Bodenfunde erinnern an die Bedeutung der Burg: Ballister- und Kanonenkugeln, eiserne Fußfesseln, Westerwälder und Siegburger Irdenwaren, eine Wappenscheibe des letzten Burgkommandanten von 1675, ein Teilstück der hölzernen Trinkwasserleitung.

Ein schmaler Flur mit einer Serie von barocken Kupferstichen mit biblischen Themen führt in einen Raum für kirchliche Kunst aus dem Besitz der kath. Pfarrkirche Mariä Heimsuchung. Im Mittelpunkt steht eine Sammlung prächtiger Meßgewänder. Besonders kostbar sind der große Chormantel aus blauem, französischem Seidendamast und etliche weiß- oder blaugrundige Kaseln und Dalmatiken mit reicher, floraler Stickerei aus dem 18. Jahrhundert. Von ganz anderer Art ist ein rotsamtenes Messgewand des 19. Jahrhunderts, das mit älteren Darstellungen der Passion Christi in Reliefstickerei besetzt ist. Sie sind seltene Werke des „weichen Stils“ der Gotik und dürften in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Köln entstanden sein.

In drei Vitrinen werden Geräte für den gottesdienstlichen Gebrauch gezeigt. Hervorzuheben sind ein vergoldeter Speisekelch, der 1646 von den Familien Kerckerinck-Valcke gestiftet wurde, und der gotisierende Messkelch des Pfarrers Epping von 1920 vom münsterschen Goldschmied Wilhelm Bruun. Ein elegantes, silbergetriebenes Tablett mit zwei Messkännchen entstand um 1765 in der Werkstatt des Maximilian Anton Schmitz in Rheine, ein feines Gefäß für die geweihten Öle um 1850 in der Zinngießerei G. H. Albinger in Münster. Vergoldete Fahnenspitzen mit christlichen Symbolen, Muttergottes- und Christiindkrönchen, Versehbursen, Sterbekreuze und kostbare Messbücher zeigen die Entwicklung liturgischer Geräte vom 17. Jahrhundert bis in unsere Zeit.

Die Heiligenverehrung im Zeitalter des Barocks spricht aus dem Ölbild eines unbekannten, westfälischen Malers mit dem Evangelisten Lukas und einer Sandsteinfigur des hl. Antonius von Padua von der Hand des Bildhauers Bernd Meyering aus Rheine (1631 – 1703). Rührende Zeugen jahrhundertealter Volksfrömmigkeit sind eine lebensgroße Holzfigur des toten Christus im Grabe aus dem 17. Jahrhundert. Eine in schwarzem Samt gekleidete Figurine der trauernden Madonna und zahlreiche Leidenswerkzeuge Christi aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie werden noch heute bei der Bevergerner Passionsprozession mitgeführt.
Durch eine Tür in der Südwand des Bürgersaales kann man das 1993 dem Heimathaus angefügte Archiv der Stadt und des Heimatvereins betreten. Im Erdgeschoss bewahrt es die umfangreiche Bibliothek des Stifters Prof. Dr. Anton Hilckman.

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